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Allgemeinmedizin: Neuer Auftritt an der Uni

Autorenbild: ArztlandlebenArztlandleben


Medizinstudierende spüren es: Das Image der Allgemeinmedizin hat sich gewandelt. Sie wird nicht mehr als „Wald-und-Wiesen-Medizin“ belächelt, sondern ist anerkannt und sogar zunehmend „trendy“.



„Die Allgemeinmedizin wird von den Studierenden und der jungen Ärztegeneration als gleichwertiges Fach neben den anderen klinischen Fächern wahrgenommen“ | © Javier Sánchez Mingorance/iStockphoto

„Allgemeinmedizin ist nicht mehr die Facharztwahl, die man hinter ‚Ich mach erst mal was mit Innere‘ versteckt“ – so erklärt es Pascal Nohl-Deryk, Sprecher der Jungen Allgemeinmedizin/JADE, des deutschlandweiten Netzwerks junger Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin. „Man kann, darf und sollte jetzt ganz selbstbewusst sagen: Ich möchte Fachärztin oder Facharzt für Allgemeinmedizin werden.“

Das sich wandelnde Image unter jungen Ärztinnen und Ärzten geht einher mit einer zunehmenden akademische Präsenz der Allgemeinmedizin. An nahezu allen medizinischen Fakultäten gibt es einer Übersicht der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM) zufolge inzwischen vollständige Abteilungen oder Institute für Allgemeinmedizin. Aktuell laufen weitere Berufungsverfahren in Magdeburg, Münster, Leipzig, Köln, Ulm, Freiburg und Jena. Professuren für Allgemeinmedizin – wenn auch mit geringer Forschungsaktivität – gibt es zudem in Neuruppin und Homburg; auch an den Fakultäten in Aachen und Mannheim existiert mindestens eine wissenschaftliche Stelle. Schlusslichter dieser Entwicklung stellen derzeit noch Gießen und Regensburg dar. Prof. Dr. med. Erika Baum, Präsidentin der DEGAM, ist über die Entwicklung der akademischen Allgemeinmedizin erfreut: „Es hat erhebliche Fortschritte gegeben“, bestätigt sie dem Deutschen Ärzteblatt. Während es Anfang der 90er-Jahre nur wenige Professuren in Deutschland gegeben hätte, wären jetzt an den meisten medizinischen Fakultäten in Deutschland selbstständige Institute oder Abteilungen für Allgemeinmedizin etabliert. „Das ist ein erheblicher Erfolg“, betont Baum.

Die Politik macht Druck

Ein Grund für den Erfolg der Allgemeinmedizin an den Universitäten ist auch der deutliche Druck aus der Politik – und oftmals nicht von den zuständigen Wissenschaftsministerien, sondern von den Gesundheitsministerien der Länder. Unter oftmals großem Einsatz der Gesundheitspolitiker in Kooperationen mit Kassenärztlichen Vereinigungen, Landesärztekammern, Hausärzteverband sowie die jeweiligen Landesverbände der Krankenkassen sind Institute für Allgemeinmedizin oder auch die neuen Weiterbildungs- und Kompetenzzentren an den Instituten entstanden. Für alle 38 Institute und Abteilungen gibt es dabei eine ganz unterschiedliche Historie des Engagements der einzelnen Interessensvertreter und Politiker. In vielen Fällen werden die Institute finanziell von der Selbstverwaltung getragen, mit der Hoffnung, dass die Lehrstühle in der Zukunft einmal aus den Unibudgets finanziert werden.

An einigen Orten musste der Start eines Allgemeinmedizinischen Institutes mit geringer Unterstützung der Uni-Leitung auskommen. So kam es vor, dass ein Dekan bei der feierlichen Eröffnung des Institutes für Allgemeinmedizin sagte: „Wir wollten die Allgemeinmedizin nicht, die Politik hat uns gezwungen.“ Teilweise scheitert die Etablierung der Allgemeinmedizin aber auch noch an einer Blockade des Dekanats, wie man bei Nachfrage an einzelnen Universitäten hört.

Inzwischen haben sich die Wogen an vielen Hochschulen geglättet. Dass die Allgemeinmedizin es jetzt endgültig geschafft hat, sich an den Universitäten zu etablieren, könne man aber noch nicht sagen, schränkt Baum ein. „Die Verankerung an den Universitäten ist weiterhin sehr unterschiedlich – wenn auch deutlich besser als noch vor fünf Jahren“, erklärt sie. Betrachte man jedoch die Bedeutung der Allgemeinmedizin in der Versorgung und den sinnvollen, im Masterplan Medizinstudium 2020 geforderten hohen Ausbildungsanteil sowie die zunehmende Bedeutung der spezifischen Forschung in der Allgemeinmedizin, werde man schnell feststellen, dass immer noch viele Abteilungen völlig unzureichend ausgestattet seien.

Allgemeinmedizin muss sich beweisen – immer wieder

„Auch dort, wo die Allgemeinmedizin seit Längerem fester Teil des Studiums ist, muss sie ihre klinische Notwendigkeit und akademische Stärke immer wieder beweisen“, meint auch Nohl-Deryk. „So selbstverständlich wie in anderen europäischen Ländern ist die Präsenz der akademischen Allgemeinmedizin noch nicht“, konstatiert der Arzt im ersten Weiterbildungsjahr. „Nur wenn sich die Allgemeinmedizin sowohl in Lehre als auch Forschung gegenüber den anderen Fächern universitär behaupten kann, wird sie langfristig als vollwertig anerkannt und wahrgenommen werden“, ist er überzeugt.

„Die Etablierung von Instituten ist nur das eine, deren Ausstattung und Personalschlüssel jedoch das andere“, bestätigt Prof. Dr. med. Antje Bergmann, Sektionssprecherin Studium und Hochschule der DEGAM und Lehrstuhlinhaberin Allgemeinmedizin in Dresden. Die akademische Allgemeinmedizin habe da noch deutlichen Nachholbedarf im Vergleich zu den anderen medizinischen Fachgebieten. Dabei geht es nicht nur um Personal, sondern um Ausstattung mit Forschungsgeldern und Räumlichkeiten.

Doch auch, wenn es noch an finanziellen Mitteln mangelt – integriert sind viele Allgemeinmediziner mittlerweile gut an den Fakultäten. „Durch unsere gestiegene Präsenz an den Fakultäten und in den Gremien gibt es inzwischen viele gute Kontakte zu den Kollegen aus den anderen medizinischen Fächern“, berichtet Baum. Häufig seien diese von der „Breite“ des Fachs überrascht. „Bei den Prüfungen fällt auf, dass wir Basiswissen und Untersuchungs- sowie Kommunikationstechniken quer durch die gesamte Medizin abfragen und nicht nur ein enges Fachwissen haben“, erläutert sie. Auch Bergmann bestätigt diesen Eindruck. Zudem steige das Ansehen der Allgemeinmediziner durch eine gute Kooperation mit Vertretern anderer Fächer in interdisziplinären Forschungsprojekten sowie mit der Einwerbung von Drittmitteln.

Einen Wermutstropfen gibt es für Baum trotzdem noch: „Leider wird immer wieder Kritik am hausärztlichen Vorgehen gegenüber Studierenden geäußert, ohne dass die Besonderheiten der ambulanten und der primärärztlichen Versorgung berücksichtigt werden“, bedauert sie. Von den Studierenden erhielten die Hochschullehrer jedoch überwiegend sehr positive Rückmeldungen. Gleichzeitig arbeiten wir daran, das hohe Niveau zu halten beziehungsweise uns zu verbessern“, betont Baum. Viele ihrer Kollegen seien sehr aufgeschlossen gegenüber Didaktikschulungen sowie Prüferschulungen. Und die Mühe lohne sich: „Das Image der Allgemeinmedizin an den Hochschulen hat sich nach unserer Wahrnehmung deutlich verbessert: durch engagierte Lehre, interessante Forschungsergebnisse und spezielle Angebote wie Nachwuchsakademie, Summerschool, aber auch lokale Spezialangebote mit Längsschnittcurricula, wie die „Klasse Allgemeinmedizin“ oder „Landpartie“.

Gleichwertiges Fach neben anderen

Die Studierenden selbst bestätigen diesen Eindruck: „Die Allgemeinmedizin wird von den Studierenden und der jungen Ärztegeneration als gleichwertiges Fach neben den anderen klinischen Fächern wahrgenommen“, betont Carolin Siech, Sprecherin der Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland (bvmd).

„Potenzial nach oben“ sehen die Studierenden noch bei der Lehre in der Allgemeinmedizin, und zwar bei der Koordination der Lehrveranstaltungen und der Rekrutierung von Lehrenden und Lehrpraxen. Die Einteilung von Studierenden in verpflichtende Kurse, Blockpraktika und Abschnitte des Praktischen Jahres führe teilweise zu deutlichem Unmut unter den Studierenden, berichtet Siech. „Zwang führt bekanntermaßen zu Ablehnung“, sagt die Medizinstudentin. Aus Sicht der bvmd stelle dagegen die Stärkung des fächerübergreifenden longitudinalen Wahlfachangebotes in der Grundversorgung sowie die Verzahnung von theoretischem und praktischem Wissen eine klare Attraktivitätssteigerung dar. „Longitudinale Curricula im Gebiet der Grundversorgung geben uns die Möglichkeit, die hausärztliche Medizin über den kompletten Verlauf des Studiums kennenzulernen“, erklärt sie. Durch diese Wahlmöglichkeiten gelinge es, Studierende für die ambulante Versorgung zu begeistern.

„Entwicklungspotenzial“ sehen junge Allgemeinmediziner und -medizinerinnen wie Nohl-Deryk zudem bezüglich der Forschung in diesem akademischen Fach. Allgemeinmedizinische Arbeiten würden seltener in hochrangigen Journals publiziert und mit weniger Forschungsgeldern gefördert, bedauert der JADE-Sprecher. Bergmann weist jedoch darauf hin: Im Vergleich zu den vergangenen Jahren habe sich de facto bezüglich der allgemeinmedizinischen Forschung einiges getan. „Wir haben zunehmende Erfolge bei großen Forschungsprojekten und Drittmitteleinwerbungen durch renommierte Organisationen“, berichtet die Ärztin. Insbesondere der Innovationsfonds biete den allgemeinmedizinischen Instituten und Abteilungen ein interessantes neues und erweitertes Forschungsfeld. „Es ist deutlich zu spüren, dass die Politik Signale gesetzt hat und vor allem die Versorgungsforschung fördert. Die Forschungslandschaft hat sich in den vergangenen Jahren deutlich geändert.“

Autoren: Rebecca Beerheide, Dr. med. Eva Richter-Kuhlmann für Deutsches Ärzteblatt Medizin Studieren

Dieser Artikel ist entnommen aus "Medizin Studieren"

17.10.2018

 
 
 

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